Als wäre nichts geschehen

1920 schuf Otto Dix (1891 – 1969) das Gemälde „Die Skatspieler“, das als eine Abrechnung mit dem Krieg und mit dem Militarismus gewürdigt wird. Es gehört der Nationalgalerie in Berlin.

Der aus dem thüringischen Gera stammende Maler Otto Dix wurde in der DDR als ein Prediger wider den Krieg, den Kapitalismus und Nationalismus gefeiert. Viele Bilder des Künstlers, der seinen Stil zwischen dem Expressionismus und kritischen Realismus fand, scheinen sich als Agitationsmittel anzubieten. Aber Dix war kein Propagandist. Wenn er ein Anwalt war, dann einer des prallen Lebens, der selbst alle Freuden und Leiden genossen hatte. Seine Begabung bestand darin, die Erfahrungen und Visionen so eindringlich in Bilder umzusetzen, daß sich ihrer Wirkung kaum jemand entziehen kann und daß sie wie hellsichtige Prophetien wirken.

Otto Dix hatte als Maschinengewehr-Schütze die Hölle des Ersten Weltkrieges selbst erfahren. Wenn er in seinen Bildern Kriegskrüppel darstellte, konnte er es aus eigener Anschauung tun. Die drei Krüppel, die hier zum fröhlichen Skatspiel versammelt sind, verhalten sich so, als wäre nichts geschehen. Ihre Leiber sind zwar nur noch Torsi, die mühsam zusammengeflickt und mit Prothesen ausgestattet sind, doch ihr Geist ist der alte: Uniform, Orden und Frisuren deuten auf die unverbesserlichen Militärs und Nationalisten.

Die Zeit, in der das Bild entstand, war voller Kämpfe. Die junge Weimarer Republik hatte große Probleme, sich gegen die antidemokratischen Kräfte durchzusetzen. Und in der Kunst rangen die gegensätzlichsten Stilrichtungen um die Vorherrschaft. Dix, der als Maler ein übersprudelnder Erzähler war, verstand es, zwischen den Fronten eine unverwechselbare Position zu finden. Obwohl er mit den Mitteln der Realisten arbeitete, schuf er derart überspitzte, karikierende Kompositionen, daß seine Bilder bisweilen den politisch-kritischen Collagen der Dada-Künstler nahe kamen. 1995 gab es bundesweit große Aufregung um das Bild. Das Gemälde, das zuletzt in Stuttgart ausgestellt worden war, sollte in New York verkauft werden. Die Nachricht schreckte die Nationalgalerie in Berlin und deren Freunde auf. Ihnen gelang es, in einer einmaligen Spendenaktion „das deutsche Schicksalsbild“ für 7,7 Millionen zu erwerben und vor einer Abwanderung ins Ausland zu retten. Ein wichtiger Helfer bei der Aktion war der Deutsche Skatverband, der zugunsten des Bildes ein internationales Turnier veranstaltete.
HNA 13. 5. 1999

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