Parade der kopflosen Körper

Die Polin Magdalena Abakanowicz gehört zu den bedeutenden Bildhauerinnen der Gegenwart. In einer Zeit, in der die Kunst sich der freien abstrakten Form zuwandte, holte Abakanowicz die menschliche Figur zurück. Allerdings blieben ihre Gestalten stets kopflose und somit anonyme Wesen. Heute wird die Künstlerin, deren Werke weltweit verbreitet sind, 75 Jahre alt.

Bildhauer, die sich mit der menschlichen Figur auseinander setzen, konzentrieren sich meist auf einzelne oder wenige Gestalten. Magdalena Abakanowicz spiegelt jedoch in ihren Arbeiten den Menschen als Massenwesen. In großen Gruppen schreiten, tanzen oder sitzen die kopflosen Körper. Mal wirken sie entschieden und vorwärts drängend, dann wieder erscheinen sie wie hilflose Opfer. Die Künstlerin hatte mit Malerei begonnen, bevor sie sich Objekten und Skulpturen zuwandte.

Anfangs musste sie sich mit kargen Materialien begnügen – mit Textilien, Ton und Steinen. Doch ihr gelangen damit herausragende Arbeiten. Unvergesslich ist eine Inszenierung, die sie Anfang der 80er-Jahre für den polnischen Pavillon in der Biennale von Venedig geschaffen hatte: Da saßen in dem großen Saal unüberschaubare Reihen von kopflosen Figuren auf dem Boden, alle streng in eine Richtung ausgerichtet. Besonders, wenn man sie von hinten betrachtete, rührten die Figuren aus groben Sackleinen an und und erregten Mitleid. Mit dieser Arbeit, die sich als Bild im Gedächtnis einbrannte, schaffte sie ihren internationalen Durchbruch.

Jahre später, als Magdalena Abakanowicz weltweit ihre Figurengruppen zeigen und ihre Arbeiten auch in Stahl und Bronze ausführen konnte, nahm sie noch einmal das Motiv auf. Doch die Sitzenden in Bronze erreichten nicht die bezwingende Kraft wie die erste Gruppe. Die schwerfälligen, erstarrten und in sich gekehrten Figuren der Anfangszeit hat die Künstlerin hinter sich gelassen. Hinzugekommen sind dynamische und tänzerischspielerische Gruppen. Auch hat Magdalena Abakanowicz zahlreiche Tier- und Fabelwesen gestaltet, die in das Reich •der Fantasie und der Märchen entführen.
20. 6. 2005

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