Zwischen Gefühl und kalkulierter Strenge

Sean Scully wird 60 – Ausstellung in Kassel
Den Sommer über ist der irische Maler Sean Scully mit einer Ausstellung kleinformatiger Werke in der Neuen Galerie in Kassel präsent. Das fügt sich gut, denn so kann man sich, wenn man sein Werk anlässlich seines heutigen 60. Geburtstages würdigen will, unmittelbar von der Kraft seiner Malerei überzeugen. Der Ire Sean Scully, der seit 1983 amerikanischer Staatsbürger ist und abwechselnd in New York, Barcelona und Süddeutschland lebt, fühlt, sich als ein Künstler, der eine Verbindung zwischen Europa und den USA herstellt.

Vornehmlich die Expressionisten inspirierten ihn. Dementsprechend begann Scully auch mit figürlicher Malerei. Die Liebe zum Expressionismus, das heißt zu einer Kunst, die dem Gefühl Ausdruck geben will und sich den Ordnungsprinzipien entzieht, blieb Scully bis heute erhalten. Seine Kompositionen mit ihren strengen Farbstreifen und -blocken scheinen dem zu widersprechen. Wenn man sich aber intensiver auf seine Bilder einlässt und die malerischen Strukturen studiert, dann spürt man, dass das strenge Formengerüst nur die Oberfläche bildet. Darunter liegen Schichten einer heftigen, emotionalen Malerei. Scully legt zwar meist zeichnerisch eine Skizze an. bevor er zu malen beginnt. Doch beim Malen selbst folgt er seinen Impulsen und drückt mit der Farbeaus, was ihn bewegt.

Zur Abstraktion kam Scully durch die Begegnung mit dem amerikanischen Maler Mark Rothko. Sein engeres Thema, das Gegeneinandersetzen von Farbstreifen und -blocken, hat er bei einer Marokko-Reise gefunden, auf der ihn die Stoffe mit ihren Farbbahnen faszinierten. Durch die Verknüpfung spontaner gestischer Malerei und strenger Formensysteme wird Scully zum Mittler zwischen den beiden Hauptströmungen in der Moderne. Scully will der Farbe zum Ausdruck, zur Gestalt verhelfen. Deshalb gewinnen für ihn die Kompositionen körperliche Präsenz. Seit 2002 lehrt Scully an der Akademie der Bildenden Künste in München. Mit Lust kann er über die Kunst reden und andere für die Malerei begeistern.
30. 6. 2005

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