Riesenhaft und haargenau

Der amerikanische Maler Chuck Close wird heute 65 Jahre alt
Der westlichen Kunst war nach dem Zweiten Weltkrieg die realistische Darstellung ausgetrieben worden. Doch kaum hatte sich die Abstraktion als vermeintliche Weltsprache durchgesetzt, trat die Pop-Art mit ihren Alltagsmotiven ihren Siegeszug an. Der wiederum folgte ein radikaler Realismus, der alles andere in den Schatten stellte. Die documenta 5 (1972) bot dieser neuen populären Kunst eine große Bühne.

Die Maler nannte man Fotorealisten, weil ihre Gemälde aus der Entfernung wie Fotos
wirkten und sie die Bilder auf der Basis von Fotografien umsetzten. Einer der prominentesten Fotorealisten war der Amerikaner Chuck Close, der heute 65 Jahre alt wird. Close ist wegen einer Lähmung an den Rollstuhl gefesselt. In der Kasseler documenta von 1972 faszinierte Chuck Close mit riesenhaften Porträts, vor denen sich die Besucher winzig vorkamen. Studierte man die Bilder genauer, dann sah man in den Männergesichtern jede Pore und jeden Bartstoppel. Aber auch das Wechselverhältnis von Schärfe und Unscharfe war mit in die Malerei übertragen worden. So spiegelte und reflektierte die Malerei die Fotografie, die eben zu der Zeit dabei war, die Kunstszene zu erobern.

Aber das Interesse von Close zielte weit über die täuschende Abbildung hinaus. Obwohl er seinem Grundkonzept über Jahre treu- blieb, ging es ihm in erster Linie um die Malerei und deren Gestaltungsmöglichkeiten. Bald schon löste er die überdimensionalen Porträts in impressionistischer Manier auf. Wie knapp 100 Jahre zuvor die Impressionisten Landschaften und Figuren aus flirrenden Färb- und Lichtpunkten zusammengesetzt hatten, so komponierte Close seine Porträts aus rechteckigen Rasterpunkten. Auf diese Weise entstanden zwei Bildebenen – die illusionistische fotografische Darstellung und eine im Kern abstrakte Malerei. Close experimentierte viel. Er arbeitete mit Spritzpistolen und mit dem Stempeldruck seines Daumens. Er ließ den prächtigen Farbbildern Porträts in Schwarz-Weiß folgen. Er holte die ganze Farben Vielfalt in seine Gemälde, die sich aus verwirrenden Zeichen zusammensetzten, und kam wieder zum Porträt zurück.
5. 7. 2005

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