Wie hätten Sie’s gern?

Malerei von Dokoupil
Davon träumt wohl jeder Künstler: als 30jähriger eine Ausstellung mit eigenen Werken auf eine internationale Museumstournee zu schicken. Jiri Georg Dokoupil, der vor genau vier Jahren erstmals an die Öffentlichkeit trat und dann durch die Ateliergemeinschaft „Mülheimer Freiheit“ bekannt wurde, kann diesen Traum verwirklichen. Seine erste zusammenfassende Werkschau wird bis 18. November im Essener Museum Folkwang gezeigt und reist danach weiter nach Luzern, Groningen und Lyon. Das ist wahrhaft eine schwindelerregende Karriere eines Malers, der zu den «neuen Wilden“ gerechnet wird und als einer ihrer Repräsentanten auch auf der documenta 7 vertreten war.

Statt eines brotlosen, jahrzehntelangen Ringens ein müheloser Steilflug, dem, wie viele Kritiker glauben machen wollen, der Absturz folgen muß? Natürlich: Wären die jungen Maler 1979/80 nicht in eine gähnende (Markt-)Leere gestoßen, hätten sie nicht solchen Aufruhr verursachen können. Doch gegen Dokoupil und andere deren Erfolg auszuspielen, erscheint lächerlich. Dokoupil zelebriert seine Vier-Länder-Tournee mit geradezu umwerfender Würde: Der dreisprachige Katalog wurde als Buch in rotes Leinen gebunden, die Seiten mit Goldschnitt versehen und jede Abbildung in einen Goldrahmen gestellt. Der junge Wilde mit seinem gelepentlichen Hang zur schlechten Malerei als Klassiker.

Eine herrliche Provokation. Verdient Dokoupil dieses Aufsehen, diese Ehre? Gewiß. Der aus Bruntal stammende und zwischen Köln und New York pendelnde Maler erweist sich als ideenreich, talentiert und (wenn er es von sich selbst verlangt) technisch souverän. Sein großer Vorzug derzeit ist, daß er sich trotz aller Erfolge nicht auf einen Stil, eine Machart hat festlegen lassen, sondern eher nach dem Motto „Wie hätten Sie’s gern?“ verfährt. Dokoupil arbeitet intensiv und zyklisch. Jede Werkgruppe steht unter einem eigenen Thema und bringt seinen unverwechselbaren Stil hervor: mal laut und primitiv, dann still und verinnerlicht bis zur Abstraktion, dann wieder plakativ-ironisch oder endlich total gefällig. Auf diese Weise gliedert sich die Ausstellung von selbst in 16 kleine Abteilungen, in denen alles, vom brutalen Figurengemälde bis zum abstrakten Frotteebild, durchgespielt wird.

Dieser stete Wechsel verkündet selbstbewußt: Ich kann’s. Es wäre daher unsinnig, in einer Bildergruppe den wahren Dokoupil zu suchen. In der Vielfalt liegt seine Stärke. Einen eigenen Artikel könnte man über die phantasievoll-bissigen Bildtitel bei Dokoupil schreiben. Wichtiger aber ist der Hinweis auf seine malerischen Mittel – wie er mal ganz von zeichnerischen Elementen ausgeht und wie er in anderen Serien in einer Fläche Räume aufblühen läßt.

10. 11. 1984

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