Die Kraft der Gefühle

Wie immer stellt sich im Vorfeld einer documenta die Frage nach den teilnehmenden Künstlern.
Immerhin hat die Ausstellungsleitung frühzeitig einen Namen bekannt gegeben, den aus dem Irak stammenden Konzeptkünstler Hiwa K, der sich beim documenta-Symposium 2015 als Musiker und Filmemacher vorgestellt hatte.
Auch wurde im Zusammenhang mit ihrer Ausstellung in Kiel die Schweizerin Miriam Cahn als documenta-Künstlerin 2017 angekündigt. Die von der Zeichnung herkommende Künstlerin setzt sich mit Bildern der Lust, Gewalt und Bedrohung auseinander.

Unterstellt man bei der documenta 14 eine ähnliche Vorgehensweise wie bei der documenta 10, bei der die in den documenta-Magazinen vorgestellten Künstler, auch Teilnehmer an der Ausstellung waren, dann kann man damit rechnen, dass Peter Friedl, Sven Stilinović (Performer), Naeem Mohaiemen (Schriftsteller und Künstler), Maria Eichhorn, Hans Haacke, Marta Minujín, (argentinische Bildhauerin) ebenfalls dabei sein werden.
Schließlich hörte ich, dass auch Lois Weinberger nominiert ist.

Gestern nun wurde ein weiterer Künstler vorgestellt – der polnische Filmregisseur Andrzej Żuławski, der im Februar 75jährig starb.

Gestern hat eine Veranstaltungsreihe der documenta in der Kunsthochschule Kassel begonnen. In ihr sollen Mitarbeiter (Studenten) mit Themen und Methoden der documenta vertraut gemacht werden. Während die Vorträge und Diskussionen hochschulöffentlich sind, gibt es jeweils an einem solchen Veranstaltungstag eine öffentliche „Nachtschicht“. In dieser „Nachtschicht“ wurde gestern Zulawsjis Film Meine Nächte sind schöner als deine Tage (Mes nuits sont plus belles que vos jours) gezeigt.

Das lässt ebenfalls an Catherine David und ihre documenta-Vorbereitung denken: Zu ihrer Vorstellung in der Kasseler Kunstöffentlichkeit zeigte sie den Film „D’est“ von Chantal Akerman. Dieser Dokumentarfilm war Programm: Er konfrontierte mit einem neuen Erzählstil, indem er ungewohnt lange, ruhige Einstellungen benutzte. Die Kamera folgte nicht der Eisenbahn, sondern ließ minutenlang auf eine Landschaft blicken, durch die endlich dann ein Zug fuhr.

Der Film stimmte auf eine neue Bildsprache ein, die dann im Filmprogramm ausführlich dokumentiert wurde.
Wenn nun Zulawskis Film ebenso programmatisch zu verstehen ist, dann können wir mit Filmen rechnen, die voller Gewalt, Lust und Gefühle sind.

Der 1989 gedrehte Film „Meine Nächte sind schöner als deine Tage“ findet erst allmählich seine feste Handlung. Er ist absurd und surreal und erzählt von einem Mann, der eine revolutionierende Computersprache entwickelt hat, gleichzeitig aber wegen eines Tumors zunehmend die Herrschaft über seine eigene Sprache verliert. Dieser Mann (Lucas) schwankt zwischen innerer Verkrampfung und gewaltvollen Ausbrüchen. Er verliebt sich in die Hellseherin Blanche (Sophie Marceau, die Lebensgefährtin von Zulawski) hat aber Mühe, ihr das in seiner wachsenden Verrücktheit klar zu machen. Der Film wirkt sprunghaft und besticht durch seine Landschaftstotalen und seine Großaufnahmen der faszinierenden Gesichter. Nicht umsonst wird im Film Bunuel zitiert.

Wir können auf großartige Bilderzählungen hoffen, wenn dieser Film kein Einzelfall bleibt.

27.4. 2016

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