Nach Anweisung gemalt

Ausstellung Sol LeWitt in Hannover

Die Werke des amerikanischen Künstler Sol LeWitt (Jahrgang 1928) sind nicht leicht zugänglich. Die Wandbilder, die er entwirft, wirken zwar genauso wie andere serielle Kompositionen, doch sie haben
eine Eigenart: Sie sind von Sol LeWitt konzipiert, aber nicht gemalt. Ja, der Urheber verweigert
sich geradezu der künstlerischen Ausführung.

Ein Widerspruch? Natürlich, schließt doch das herkömmliche Kunstverständnis die Bewunderung der handwerklichen Vollendung immer mit ein. Doch Sol LeWitt bezieht gemeinsam mit anderen Konzept-Künstlern die
Gegenposition. Ausgehend von Piatons Vorstellung, daß jedes Kunstwerk das Abbild eines inneren Bildes (einer Idee) sei und dessen Vollkommenheit gar nicht mehr erreichen könne, entschied sich LeWitt für einen
radikalen Weg: Aus einer Idee entwickelt er das Konzept für ein Werk, das auszuführen jeder imstande ist, der mit Stift und Pinsel umzugehen weiß. Le Witts Arbeiten bauen sich so logisch auf und derart frei von jeder persönlichen Bindung, daß sie theoretisch jederzeit wiederholbar sind.

Er geht noch einen Schritt weiter: Um auch die eigenen spontanen und emotionalen Reaktionen auf den Ort auszuschließen, will er die Räume, für die er seine Arbeiten gestaltet, gar nicht erleben. So kam er auch nicht in die Kestner-Gesellschaft Hannover, um die Ausstellung „Wall Drawings“ (Wandzeichnungen) vorzubereiten, sondern ließ sich in die USA die genauen Grundrißpläne schicken. An Hand dieser Pläne entwickelte er für die vier Räume der Kenstner-Gesellschaft eine strenge Abfolge von 40 jeweils raumhohen Wandbildern, die von Mitarbeitern Le Witts direkt auf die weißen Wände aufgetragen wurden.

Es sind Bilder zur systematischen Durchdringung, Überlagerung und Korrespondenz von Farben. Jedes einzelne, von einem breiten schwarzen und einem dünnen weißen Rand gerahmt, besteht aus jeweils fünf gleich breiten Streifen, die jeder für sich aus bis zu zwölf Farbschichten besteht: Gelb, Ocker, Braun, Rot, Violett, Blau und Dutzende von Tönungen dazwischen lassen ein System gedämpfter und doch lebhafter sowie wohltuender Farben entstehen. Die Wandzeichnungen, die eine radikale Absage an das klassische Bild enthalten, feiern
mit ihren festen Rahmen seine Wiedergeburt.

12. 10. 1988

Schreibe einen Kommentar