Das zweite South-Magazin ist erschienen – wie gehabt in Englisch, doch viele Beiträge sind in der Internet-Fassung auch auf Deutsch zu lesen. Beim Durchblättern habe ich das Gefühl, wie durch einen Raum zu gehen, in dem ich viele Stimmen höre, sie aber (noch) nicht verstehe, weil ich bisher die eizelnen Texte noch nicht gelesen habe. Aber mein Gang durch den Raum führt mich zu Punkten, an denen ich in kleine Kabinette hinein schauen kann, in denen sich bereits Anfänge einer Ausstellung zeigen.
Der erste Bilderzyklus, der mich in Heft 1 faszinierte, waren Miriam Cahns Farbstiftzeichnungen, die eine ungeheure Kraft entfalten. Es wird Zeit, dass Miriam Cahn in der documenta vorgestellt wird. Sie führt uns mitten hinein in das von Gewalt und Tod, von Flucht und Entsetzen beherrschte Leben. In der Zeichnungsfolge taucht ein Motiv auf, das im zweiten Magazin zentrales Motiv wird: die Masken. Wir werden zu den vermummten Zapatisten geleitet, dann tauchen wir ein in die Welt der „Maskenstille, Stillemasken“ (Stathis Gourgouris) und verfolgen die Geschichten des Maskierens und des Schweigens bei Frantz Fanon, („Schwarze Haut, weiße Masken“).
Was lernen wir daraus? Das, was wir gemeinhin als exotisch begreifen, ist in Wahrheit alltäglich, normale Praxis. Das Lokale entpuppt sich als Globales. Es geht nicht bloß um Verkleiden, Verbergen und aus der Rolle Fallen. Es geht vielmehr darum, die Verfügungsgewalt über die eigene Identität zu erlangen.
So führt der Weg schnell zu den Völkern, den ihre Masken abgerissen und gestohlen wurden – und zu der Frage, wie wir denn umgehen mit den kulturellen Eigenheiten und Schätzen, die ungefragt von den Kolonialherren entführt und enteignet wurden.
Vor diesem Hintergrund macht auch Adam Szymczyks ausdauerndes Bemühen um die Sammlung Gurlitt Sinn. Denn geht es nicht bei dem Ringen um die Rückgabe ethnografischer Sammlungen um die gleiche Grundfrage wie bei der Substitution der von den Nazis geraubten und verkauften Kunstwerke.
Alles gehört zusammen, Und wenn sich die Künstlerin Maria Thereza Alves in das Gespräch über die „Fair-Trade-Köpfe“ einbringt, dann ist das doppelt sympathisch, weil wir uns noch gut an ihre Arbeit zur dOCUMENTA (13) erinnern, die im Ottoneum zu sehen war. Die Künstlerin dokumentierte einen Kampf der Bürger um sauberes Wasser (The Heroes of the Lake).
Ebenfalls eine gute Bekannte aus der dOCUMENTA (13) ist Mariana Castillo Deball. Sie hatte im Zwehrenturm in einen Raum eine geschwungene Wand gestellt, die farbig leuchtete und aus Keramik, Sand, Farbmassen und Fundstücken aufgebaut war. Die auf die Ferne nur dekorativ wirkende Wand, entpuppte sich als archäologische Fundgrube. Man schien in ein offenes Grabungsfeld zu blicken. In dem Magazin zeigt sie griechische und deutsche Zeitungsseiten zu den aktuellen politischen und finanziellen Problemen, die sie mit feinen Zeichnungen überzogen hat
Aber es gibt auch ganz andere Kurzvorstellungen von Künstlern. Da sieht man beispielsweise unter dem Titel „Ein Friedhof für die Asche des Denkens“ wunderbare kleine Zeichnungen von John Hejduk, dessen Bilder eine Brücke schlagen von der freien Zeichnung zum Architektur- und Stadtplanungs-Entwurf.
Im Hintergrund spürt man immer wieder die katastrophalen Bedingungen der Flüchtlingspolitik. Dabei sind die Abläufe heute genau wie vor 60 oder 70 Jahren. Im Magazin 1 hatte Jonas Mekas dazu einen umwerfenden Text geschrieben und seine Fluchtgeschichte mit Bildern illustriert, die auch zu Motiven aus Kassel (Mattenberg) führten.
Eine köstliche Ergänzung zu dem Eulen-Logo der documenta 14 trägt María Magdalena Campos-Pons bei, die ein Foto-Triptychon präsentiert, rechts und links von einem Eulen-Foto gerahmt, sieht man in der Mitte ein Gesicht, das durch die Hände wie durch eine Maske verborgen wird.
Auch eine Performance wird im Magazin 2 vorgestellt: Regina José Galindo führt im Wortsinne die Gefährdung der nackten Existenz durch Landnahme vor.
Ich muss noch mehr lesen und blättern.