Im Dienst der Architektur

Zu den Arbeiten der Kasseler Fotografin Monika Nikolic

Wie ein aus dem Wasser ragender, spitz zulaufender Bug eines Schiffes kommt das museu de ciències naturals in Barcelona auf die Passanten zu. Die Öffnung unter dem Bauwerk wirkt zugleich aber auch wie ein gewaltiges Fischmaul, das die darunter laufenden Menschen zu verschlingen droht. Die Kasseler Fotografin Monika Nikolic (Jahrgang 1944) hat für ihre Aufnahme des von Herzog & de Meuron entworfenen Gebäudes genau den Punkt gefunden, von dem aus der Bau seine unverwechselbare Kraft und Schönheit entfaltet. Wenn man um das Museum herumgeht, findet man keinen weiteren Ort, an dem die Idee, aus der das Bauwerk entstand, so zugespitzt wurde.
Damit berühren wir den Kern der fotografischen Arbeit von Monika Nikolic. Wenn sie sich einem Gebäude nähert, das sie mit der Kamera (früher Großbild, heute digitales Kleinbild) erfassen und dokumentieren will, hat sie kein Patentrezept – außer dem Vorsatz, sich und ihre Arbeit ganz in den Dienst der Architektur zu stellen. Ihre Handschrift ist keine, weil sie nicht ihre eigenen Stilmittel zum Sprechen bringen will, sondern die der Architekten.
Doch auf welchem Weg hat Monika Nikolic diese Methodik erreicht? Nun, sie studierte Architektur und kam immer wieder mit Meistern dieser Zunft zusammen. Die entscheidenden Impulse erhielt sie durch Lucius Burckhardt, der für so viele ein Anreger war. Burckhardt, der an der Kasseler Universität einen Lehrstuhl hatte, war ein Grenzgänger. Vor allem konnte er die unterschiedlichsten Disziplinen miteinander verknüpfen. Von der Architektur fand er zur Kunst und Landschaftsplanung und zur Philosophie und Soziologie. Seine Sache waren die Großprojekte nicht. Er richtete sein Augenmerk auf die Details, er machte sichtbar.
Indem Monika Nikolic ihm folgte und indem sie gleichzeitig bei Floris Neusüss und Gunter Rambow an der heutigen Kunsthochschule Grundlagen der Fotografie erlernte, fand sie zu ihrer Berufung. Sie begann Anfang der 80er Jahre mit Schwarz-Weiß. Für weite Bereiche der Kunst-Fotografie war damals der Verzicht auf Farbe ein Muss. Die Collage aus sechs Aufnahmen vom Säulenportal des Museum Fridericianum zeugt von der Beiläufigkeit, mit der die Fotografin zu Werke ging. Nicht die Architektur und die Strenge der klassizistischen Bauweise interessierten hier, sondern das Lebensgefühl der auf den Stufen sitzenden und liegenden Menschen.
Von diesen Schwarz-Weiß-Bildern zu der abendlichen Sicht auf das gläserne Bahnhofsgebäude von Klaus Hornberger, für das der Künstler James Turell eine Licht-Inszenierung geschaffen hat, ist es ein weiter Weg. Es ist nicht nur die subtile Ausleuchtung des Bahnhofs, die mit ihren vielfältigen Farbnuancen fasziniert, es ist auch die Kunst, das Bauwerk wie ein Tor ins Zentrum zu rücken und alles Unruhige aus dem Bild zu verbannen, um dann doch auf der linken Seite Passanten zuzulassen, die das wesentliche Element der Architektur hervortreten zu lassen – die Maßstäblichkeit.
Das erste große Projekt, das Monika Nikolic als Architektur-Fotografin durchziehen konnte, war die Dokumentation der von Christian Hunziker entworfenen Bauten, die eine geschwisterliche Nähe zu den Häusern von Hundertwasser haben. Nachdem einmal der Einstieg geklappt hatte, konnte die Fotografin weitere Projekte realisieren und innerhalb Europas ihren Ruf festigen. Die hier angelegte Fotostrecke gibt eine ungefähre Vorstellung von der Vielfalt der Aufgaben, die sie erledigen konnte. Das Durchfotografieren der documenta 8 (1987) verschaffte ihr den Zugang zur aktuellen Kunst und damit beispielsweise auch zu dem Werk und zu dem kunstvollen Garten von Ian Hamilton Finlay. Aber ebenso erschloss sie sich Architektur-Denkmäler wie den Höchst-Verwaltungsbau von Peter Behrens oder auch das Kraftwerk Borken (Büro Klingenberg).
Die Architektur-Fotografie dokumentiert. Wenn es dabei den Baumeistern gelingt, eine Form zu finden, die in ihrer Verrücktheit und Geschlossenheit so umfassend ist, dass eigentlich aus jeder Perspektive das Ganze erkennbar ist, dann ist das eher die Ausnahme, wie das von Peter Cook und Colin Fournier erbaute Kunsthaus Graz zeigt. Umgekehrt ist das von Frank O. Gehry entworfene Marta-Museum in Herford derart aus den Fugen geraten und abgehoben, dass man gar nicht ahnen kann, wie das Gebäude aus anderen Blickwinkeln wirkt.
Im Vergleich dazu ist das von Staab Architekten für das Herkules-Monument entworfene Besucherzentrum schlicht und unauffällig. Diese Unauffälligkeit war Programm, denn der Betonbau sollte sich den ankommenden Besuchern nicht in den Weg stellen. Geschickt nutzten die Architekten die Hanglage, um die Besucher in dem Bau über Treppen und eine Rampe zum Herkules zu lenken: Als Blickfang dient ein hohes Fenster, das bereits innen auf den Herkules schauen lässt. Monika Nikolic drehte die Perspektive um. Sie lässt uns auf das Bauwerk von hinten blicken und damit erkennen, dass wiederum der Herkules im Fenster erscheint – nun als Spiegelung. Hier wird die Fotografin zur Entdeckerin.

Schreibe einen Kommentar