Klara Lidéns „Never come back“ in der Kunsthalle Fridericianum
So schnell vergisst man nicht, dass mit Beginn der neuen Ausstellungssaison Christoph Büchel das Fridericianum zum Umbau freigab und einen Teil der Fenster mit Holzlatten verschließen ließ. Seither ist die architektonische Ordnung in dem Gebäude aufgehoben und befinden sich zahlreiche Räume im Wandel.
Es sind die Räume selbst, die in Frage und zur Disposition gestellt werden. Die Schwedin Klara Lidén (Jahrgang 1979), deren Beitrag gleichzeitig mit den Arbeiten von Marc Bijl und Cyprien Gaillard zu sehen ist, radikalisiert den Ansatz und spielt mit Ängsten und Phobien. Die Welt wird sozusagen auf den Kopf gestellt: Man betritt einen Saal, in dem das eigentliche Gehäuse geschrumpft zu sein scheint. Auf der einen Seite hat man die umgrenzende Wand des Saales, auf der noch die Abbruch- und Abrissspuren einer früheren (Büchels) Ausstellung zu sehen sind. Hier gibt es keinen Platz für Kunst. Auf der anderen Seite sieht man in das Innere einer provisorischen Ausstellungsarchitektur. Es handelt sich um das Gerüst einer Stellwandkonstruktion, mit deren Hilfe in dem rechteckigen Saal ein kleinerer Saal gebaut worden ist, der, wenn man den Gang zwischen den beiden Wänden betritt, verschlossen zu sein scheint.
Die Besucher werden also in den Gang zwischen innerer und äußerer Wand gezwungen, passieren erst die eine Kopfseite, laufen dann an der 30 Meter langen Längsseite entlang und entdecken schließlich, dass es doch an der anderen Kopfseite einen Zugang ins Innere gibt. In dieses Innere locken ein leuchtendes Weiß und die Klänge einer lieblich anmutenden Musik: In der rauen, unwirtlichen Schale also ein süßer (schöner) Kern.
Doch bevor man das wie ein Heiligtum verschlossene Innere betreten kann, muss man durch einen schmalen, selbst nicht beleuchtenden Gang gehen. Dann aber wird man von dem Ideal- und Zauberraum der Moderne, von dem white cube, empfangen: Strahlendes Weiß, absolute Reinheit – der Tempel der Kunst.
Und doch ist damit die Ordnung nicht ganz wiederhergestellt. Ein Rest von Irritation bleibt, denn irgendwie scheint der white cube verdreht zu sein: Das Licht leuchtet nicht indirekt, sondern wird von geschäftsmäßigen Leuchtröhren verbreitet, die unten, dicht über dem Boden, angebracht sind. Auch der Boden selbst will nicht ganz zu der Atmosphäre passen, denn wenn man schlurft, merkt man, dass man sich wie auf Sandpapier bewegt. Das Heiligtum ist also ganz geerdet, und die Erinnerung an die außen geschaffene Baustelle geht nicht verloren.
Will man schließlich die Umrundung des inneren Saals vollenden und wieder dem Ausgang zustreben, passiert man die offene Tür zum Nachbarsaal. Der ist noch radikaler in Frage gestellt, denn man kann ihn weder betreten noch in ihn hineinschauen: Der Fußboden scheint total hochgeklappt zu sein und bildet eine unüberwindliche Barriere. Der dahinter liegende Saal ist verschwunden. Ebenso eine alptraumhafte Situation wie der Gang rund um das Gerüst, in dessen Kern der white cube verborgen ist.
Klara Lidéns Arbeit provoziert nicht nur eine ungewohnte Auseinandersetzung mit der Architektur des Fridericianums. Sie bringt auch unser alltägliches Raumgefühl ins Wanken und weckt verdrängte Phobien und Ängste.
Komplettiert wird der Beitrag der Schwedin durch zwei Videoarbeiten. Die Monitore stehen auf gepressten Altpapierballen an der Wand gegenüber von dem Eingang in den white cube. Auch in dem einen Video geht es um Räume. Es handelt sich um verborgene Räume im Berliner Teufelsberg, der aus dem Trümmerschutt von im Zweiten Weltkrieg zerstörten Häuser besteht. Klara Lídén führt diesen unwirklichen Ort vor, der militärischer Überwachungspunkt war und nun von Graffiti überwuchert ist. Ein Ort der Geschichte, mehrfach benutzt und von wechselnden Bedeutungen geprägt, und doch ein Unort wie der Saal mit dem hochgeklappten Boden.
- Cyprien Gaillard Die Faszination der Strukturen, 2. 2. 2009
- Marc Bijl Kunst an der Baustelle, 21. 1. 2009
27. 1. 2009